Ich schau mich um, alle am Handy. Alle tippen und drücken auf ihren Smartphones rum. Alle machen etwas, ausser mir. Ich hab irgendwie gerade nichts, das mich beansprucht. Niemand muss mich erreichen, niemand interessiert’s, was ich mache, kein Online-Dienst will mich mit Push-Nachrichten bombardieren – eigentlich ganz nett. Endlich hab ich Zeit um… um… vielleicht ein Buch zu lesen? Menschen zu beobachten? Mir Gedanken über die Welt zu machen? Ideen zu spinnen?

Doch ich bin müde, alle Menschen haben dasselbe grimmige Feierabend-Pendler-Gesicht und ich gerade kein Bedürfnis mir Gedanken über irgendetwas zu machen. Ich brauch‘ Unterhaltung! Ach, wäre es doch schön jetzt ein paar lustige YouTube-Videos anzuschauen oder mal kurz das Wetter von morgen zu checken. Doch das geht leider nicht mehr, denn seit mehr als einem halben Jahr habe ich – trotz Smartphone – kein mobiles Internet mehr, nur noch WLAN. Doch wie kommt ein junger Mensch, der up-to-date sein möchte, überhaupt dazu, den Weg eines digitalen Halbselbstmordes zu wählen? Auslöser war ein dreimonatiger Auslandaufenthalt: Kurz bevor ich verreiste, lief mein zweijähriger Handyvertrag ab. Als ich von der Reise zurückkehrte, erneuerte ich meinen Vertrag deshalb nicht, da ich plante, ein Jahr später wiederum für mehrere Monate zu verreisen. Ausserdem war es auch eine Kostenfrage.

Ich hab’s mal ausgerechnet: 35 Franken mal 12 Monate gibt 420 Franken. Die Vertragslauffrist läuft zwei Jahre, also 840 Franken. Viel Geld für ein bisschen Internet und Telefonieren. Ausserdem bin ich mindestens jedes Jahr zwei bis drei Monate im Ausland und muss das Abo trotzdem bezahlen, obwohl ich es gar nicht brauche. Mit meiner Pre-Paid-Karte habe ich nun während mehr als einem halben Jahr nur 83 Franken ausgegeben, das macht pro Monat weniger als 12 Franken – man sieht, die Studentin spart! Diese Rechnung war mitunter ein Grund, auf mobiles Internet zu verzichten. Dazu kam der Wunsch, nicht mehr auf einen kleinen Computer angewiesen zu sein. Und vielleicht auch, nicht mehr immer und überall erreichbar zu sein.

Dabei wäre es manchmal schon praktisch, mobiles Internet zu besitzen. Zum Beispiel, um Zugverbindungen zu checken oder wenn ich eine Adresse nicht finde und völlig verloren in einer Seitengasse stehe. Dann frage ich mich, ob mein Selbstversuch wirklich so sinnvoll ist. Als Kommunikationsstudentin bin ich jedoch durchaus extrovertiert, also fällt es mir nicht schwer, andere nach dem Weg zu fragen oder ob sie mir doch kurz eine Zugverbindung raussuchen könnten. Dabei schaue ich den Leuten sogar in die Augen und diese helfen mir gerne, trotz Kopfhörern im Ohr und Blick auf dem Smartphone.

Ab und zu versuche ich mir vorzustellen, wie die Menschen früher eigentlich ihr Leben gemeistert haben. Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich früher jeweils mit dem Haustelefon meine beste Freundin angerufen hatte um «abzumachen», da sagte man dann eine Uhrzeit, den Ort (meistens war es der Spielplatz) und man traf sich dann. Es ging ohne eine WhatsApp-Nachricht à la: «Ich bin in fünf Minuten da, hol mir nur noch schnell ein Glace – willst du auch eins?» – Nein, früher, da ging man rechtzeitig los, ging an den Kiosk, holte sich zwei Raketen und ging auf den Spielplatz. Heute geht das nicht mehr – viel zu verbindlich! Mit der Verbindlichkeit haben wir es nämlich nicht mehr so. Auch mit dem Planen happert es. Und dann sollte man auch noch überall erreichbar sein.

Das liebe mobile Internet, wie hat es unser Leben doch bereichert und gleichzeitig um einiges verkompliziert. Mein Selbstversuch hat mir jedenfalls gezeigt, dass es auch ohne geht. Ist zwar manchmal mühsam, doch machbar. Ausserdem fördert man seine direkte Kommunikation und plant alles schon im Vorhinein, sodass man nicht auf der Suche nach einer Adresse in einer Seitengasse landet.